Oscar-Preisträger William Hurt ist 71-jährig gestorben (2024)

Die Darstellung männlicher Eitelkeit war eine seiner Spezialitäten: Hurt prägte das Kino der 1980er Jahre. Nun ist er wenige Tage vor seinem 72.Geburtstag in Portland, Oregon, gestorben.

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Fast fünf Jahrzehnte überdauerte seine Karriere. Und wenn sie auch in jüngerer Vergangenheit auf kleinerer Flamme brannte: Noch in jeder Nebenrolle wurde er vom Publikum und von der Kritik notiert. So brachte ihm David Cronenbergs «A History of Violence» im Jahr 2006 eine späte Oscar-Nominierung ein für seine Darstellung eines arroganten Gangsterbosses, der innerhalb nur weniger Filmminuten eine Wandlung zum leidenden Monster und angstvollen Opfer vollzieht. William Hurt tippte immer die gesamte Lebensgeschichte seiner Figuren an. Selbst in den kleinsten Rollen schritt er die Dimensionen seiner Figuren bis zu ihren Grenzen aus.

Die achtziger Jahre waren William Hurts Jahrzehnt: Gefeierte Rollen und Oscar-Nominierungen folgten in dichter Chronologie aufeinander, nichts schien schiefgehen zu können für den grossen, blonden Mann, der immer etwas von einem bürgerlichen Ostküsten-Intellektuellen hatte und sein damals klassisch gutes Aussehen nie wirklich lebte – nie im Sinne eines strahlenden Hollywoodstars. Der «Golden Boy» des Kinos der 1980er Jahre nannte sich selbst «den 1,87 Meter grossen, blauäugigen, weissen, angelsächsischen protestantischen Idioten» – eine Beschreibung, die ein Mass an Selbsthass beinhaltet und die Probleme andeutet, die sich in seiner zweiten Karrierehälfte auftun sollten.

Der Oscar machte ihn nicht glücklich

Geboren wurde William Hurt am 20.März 1950 in Washington. Er trat in den siebziger Jahren erstmals am Theater auf, begann ein Theologiestudium, das er aber für eine Schauspielerausbildung an der berühmten Juilliard School in New York abbrach. Seine erste Filmrolle spielte er 1980 in Ken Russells Science-Fiction-Film «Altered States», die ihm gleich eine Golden-Globe-Nominierung eintrug.

Die Vorstellung des «Golden Boy» schien er in seiner Rollenauswahl selbst konsequent unterminieren zu wollen. So in dem Gefängnisdrama «The Kiss of the Spider Woman», in dem er einen Knastinsassen in einem südamerikanischen Land spielt, dessen eskapistische Erzählungen alter Film-Melodramen mit der harten Realität seines politischen Mitgefangenen kontrastieren. William Hurt im Kimono und mit rot gefärbtem Haar tat in dieser Rolle, was er selten wiederholte: Er griff ins Volle, erlaubte sich, Gefühl zu zeigen und es wieder zurückzunehmen. Er brillierte. Seine Interpretation trug ihm den Oscar ein. Als er die Trophäe erhielt, dachte er, von nun an habe er sich das Vertrauen anderer Kollegen verspielt. Er fühlte sich isoliert. Ruhm war «kein glücklicher Zustand» für ihn; er empfand ihn als «Herausforderung».

Zweimal spielte er unter der Regie von Lawrence Kasdan an der Seite von Kathleen Turner. Der erotische Thriller «Body Heat» (1981) gehörte zu den Filmen, die Hurts Durchbruch und Aufstieg markierten: Als obsessiv einer Femme fatale (Turner) Verfallener ist er zu geblendet – und zu sehr von sich selbst eingenommen –, um ihre Lügen zu durchschauen, und wird erst viel zu spät klug. In Kasdans grossartigem Film «The Accidental Tourist» (1989) wird er von seiner Frau, gespielt von Turner, nach dem Tod des gemeinsamen Sohnes verlassen. Wie in «Body Heat» ist er auch hier wieder der Mann, der nur noch reagiert. Sein Leben ist zum absoluten Stillstand gekommen, er selbst das bewegungslose Zentrum in einer depressiven Leere. Der Film, der auf einem Roman von Anne Tyler basiert, schildert sein Wiedererwachen in kleinsten Schritten. William Hurt nimmt sich zurück, deutet Humor und winzige Regungen von Widerständigkeit unter einer Maske von Schmerz und Hochmut nur an.

Sexy und verletzlich

Der Autor Don Winslow twitterte zu William Hurts Tod, nie einen schlechten Auftritt von ihm gesehen zu haben, doch die Mediensatire «Broadcast News» gehöre zu seinen besten Leistungen. In dem Film von James L.Brooks ist Hurt wieder als Mann zu sehen, der nicht clever genug ist, zu begreifen, dass er sich an seiner Aufgabe überhebt.

Ein Nachrichtensender macht den seichten, selbstverliebten Sportreporter Tom (Hurt) zum Chefmoderator, eine Aufgabe, in die er zögerlich hineinwächst, um schliesslich mit dem Schwung eines erfolgreichen Scharlatans darin aufzugehen. Hurt spielt das unglaublich witzig, doch ohne seine Figur zu verraten. Wo simple Komik gefragt ist, zieht Hurt wieder mehrere Ebenen ein. Sein eigentlich ahnungsloser Nachrichtenmann ist nicht nur dreist und sexy, sondern auch verletzlich. Die Darstellung männlicher Eitelkeit in allen Facetten wurde zu einer seiner Spezialitäten. William Hurt suchte die Komplexität, wo es auch hätte einfach sein können. Seine Weigerung, zu vereinfachen, dabei aber immer mit prägnantem Strich zu zeichnen, machte sein Spiel nicht nur spannend: Diese Haltung machte seine Grösse aus.

In der Wirklichkeit führte das zu Schwierigkeiten. Franco Zeffirelli, der mit ihm «Jane Eyre» (1996) drehte, nannte Hurt den «kompliziertesten Schauspieler, mit dem ich je gearbeitet habe». Hurt selbst erklärte, sein Problem liege darin, sich nicht gut artikulieren zu können, dabei aber eine starke Abneigung gegen Generalisierungen zu haben. Er konnte Stunden mit einer Enzyklopädie verbringen, «nur um eine E-Mail an einen Freund zu verfassen», wie er in einem Interview sagte. «Weil ich exakt die richtigen Worte finden wollte.» 2005, lange vor einer Erkrankung an Prostatakrebs im Jahr 2018, sagte er, er habe die Angst vor dem Tod besiegen wollen, indem er sich als Filmstar unsterblich gemacht habe. Später empfand er das Leben selbst als ein Privileg, das er einmal loslassen müsse. William Hurt starb am 13.März, nur wenige Tage vor seinem 72.Geburtstag, in Portland, Oregon, und hinterliess vier Kinder.

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